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Mein Swiftie-Abenteuer mit SMA – Drei Städte, drei Konzerte, ein unvergesslicher Sommer

Taylor Swift live zu sehen – das war für mich schon seit Jahren ein großer Traum. 2020 hatte ich bereits Tickets für ihre Lover-Tour in Berlin, doch dann kam die Pandemie, und das Konzert wurde abgesagt. Die Enttäuschung war riesig, denn ich hatte mich so darauf gefreut, Taylor endlich live zu erleben. Als dann 2023 die Ankündigung kam, dass die Eras Tour nach Europa kommt, gab es für mich kein Halten mehr: Ich musste dabei sein!

Ein Foto von Vanessa, die in ihrem mit Aufklebern verzierten Rollstuhl sitzt, ein glitzerndes Outfit trägt und ein Plakat mit der Aufschrift „Enchanted to meet you“ hochhält.
Ein Foto von Vanessa, die in ihrem mit Aufklebern verzierten Rollstuhl sitzt, ein glitzerndes Outfit trägt und ein Plakat mit der Aufschrift „Enchanted to meet you“ hochhält.

Die Ticketjagd – zwischen Vorfreude und Losverfahren

Schon der Ticketkauf war eine Herausforderung. Für barrierefreie Plätze musste man sich über ein spezielles Losverfahren per E-Mail bei Eventim anmelden. Es gab keine Garantie auf Tickets – aber ich hatte Glück: Ich bekam Karten für Hamburg und München! Und weil Taylor auch in Warschau auftreten sollte – und ich dort eine Freundin habe, die ich ohnehin mal wieder besuchen wollte – versuchte ich auch dort mein Glück. Ich spreche Polnisch, was vieles erleichterte, und tatsächlich ergatterte ich auch ein drittes Ticket. 

Drei Städte, drei Konzerte – mein Swiftie-Sommer war gerettet.

Vorbereitung mit Herzblut – Fan sein mit vollem Einsatz

In den Wochen vor den Konzerten war ich voller Vorfreude. Ich bastelte zwei große Fanposter – eines mit der Aufschrift „Taylor, can I have the 22 hat please?!“, in der Hoffnung, den berühmten Hut zu bekommen, und ein zweites mit „Enchanted to meet you!“ als Hommage an Speak Now. 

Mein Rollstuhltisch wurde mit Taylor-Swift-Aufklebern vollgeklebt – jede Ära, jedes Album war vertreten. Ich wollte zeigen: Ich bin nicht nur körperlich anwesend, ich bin mit Herz dabei. Auch meine Outfits waren genau durchdacht: In Hamburg war ich im Stil der Reputation-Era unterwegs, in München verkörperte ich Red – leidenschaftlich und verspielt – und in Warschau glitzerte ich ganz im Stil von 1989. Als Detail hatte ich meine Nägel in den Farben aller Alben lackiert. Kleine Zeichen, große Wirkung. 

Improvisation gehört dazu – wenn Barrierefreiheit Grenzen hat

Was viele nicht sehen: Hinter jeder Reise steckt bei mir ein ganzes System aus Organisation, Assistenz und Improvisation. In keinem der Hotels gab es ein Pflegebett, also mussten wir kreativ werden. Wir haben in jedem Zimmer die Schreibtische freigeräumt und mit Handtüchern und Kissen gepolstert – so konnte ich mich dort rückenschonend umziehen lassen. Für meine Assistentinnen war das eine große Entlastung, denn Transfers im Bett ohne elektrische Verstellbarkeit sind körperlich anstrengend. Auch für alltägliche Dinge wie Waschen, Lagern oder Richten mussten wir spontan umdenken. Mal wurde ein Nachttisch zur Ablagefläche, mal ein Koffer als behelfsmäßiger Tisch.  

Es war nie ideal, aber immer machbar – mit Geduld, Zusammenhalt und ein bisschen Humor.

Hamburg – Emotionen, Gänsehaut und ein magischer Auftakt

Die Reise nach Hamburg lief überraschend gut. Die U-Bahn ist zwar nicht mit Rampen ausgestattet, sondern mit erhöhten Einstiegsbereichen – was bedeutet, dass man mit Schwung in die Bahn hineinfahren muss –, aber es funktionierte. Mein Hotel war barrierearm, allerdings ohne Pflegebett, sodass wir unsere Schreibtischlösung nutzten. 

Als ich in der Arena meinen Platz erreichte und zum ersten Mal die riesige Bühne sah, konnte ich nicht anders – ich weinte. Ich war einfach überwältigt. Ich hatte so lange davon geträumt, Taylor live zu sehen – und jetzt war sie hier. Ich war mittendrin. 

Die Atmosphäre war elektrisierend: Überall funkelten Outfits, es wurden Freundschaftsarmbänder getauscht, alle sangen und tanzten. Jedes Era-Set war wie ein kleines Theaterstück – mit Lichteffekten, Bühnenbildern und Emotion pur. 

Surprise Songs Hamburg: 

  • 🎸 The Last Great American Dynasty / Run (im Original mit Ed Sheeran – mein Fanherz schlug höher!)
  • 🎹 Nothing New / Dear Reader – melancholisch, tief, wunderschön

Warschau – Bahnchaos, Überraschungen und barrierefreie Metro

Die Reise nach Warschau war – offen gesagt – die Hölle. Die polnische Bahn hatte technische Probleme, das System zeigte immer wieder an, dass alle Rollstuhlplätze ausgebucht seien. Dazu kamen Bauarbeiten zwischen Berlin und Schwedt. Nach stundenlangem Telefonieren und Umplanen entschieden wir uns, mit dem Auto nach Frankfurt (Oder) zu fahren und von dort den Zug zu nehmen. Beim Einstieg passte ich gerade so über die Rampe. Dann kam der Anruf der DB: „Wir wissen nicht, ob Sie in Warschau Hilfe beim Ausstieg bekommen.“ Ich war kurz sprachlos – die Schaffner nahmen es gelassen und meinten trocken: „Zur Not holen wir die Feuerwehr.“ 

Was mich dann völlig überraschte: Der öffentliche Nahverkehr in Warschau war unglaublich barrierefrei. Die Metro, die Busse, die Straßenbahnen – alles war gut zugänglich und unkompliziert zu nutzen. Damit hatte ich nicht gerechnet. 

Das Konzert war der perfekte Abschluss meines Swiftie-Sommers. Die Stimmung im Stadion war laut, euphorisch und emotional – typisch polnisch eben. Außerdem war es das erste Mal, dass das Stadion komplett zu war, wodurch sie Lichter schneller und deutlicher zur Geltung gekommen sind. 

Surprise Songs Warschau: 

  • 🎸 Today Was a Fairytale / I Think He Knows
  • 🎹 The Black Dog / Exile – Gänsehaut pur bei jedem Takt

Die Rückwege nach dem Konzert

So magisch und emotional die Konzerte auch waren – die Rückreise zur Unterkunft danach war jedes Mal der schwierigste Teil des Abends. 

Nach einem dreistündigen Konzert, voll mit Eindrücken, Musik, Menschen und Emotionen, war ich meist völlig erschöpft. Doch statt einfach zur Ruhe zu kommen, hieß es: ab ins Gedränge. 

Die Menschenmengen strömten gleichzeitig aus dem Stadion oder der Arena, die Stimmung war ausgelassen, laut, durcheinander – und mittendrin ich, im Rollstuhl, im Dunkeln, umgeben von Hunderten, manchmal Tausenden Menschen. 

Besonders schwer war es, in den öffentlichen Nahverkehr zu kommen. Die Busse und Bahnen waren restlos überfüllt, viele Menschen drängelten – nicht unbedingt mit böser Absicht, aber es wurde kaum Rücksicht auf Barrierefreiheit genommen. Häufig musste ich länger warten, weil ich im ersten Bus gar keinen Platz hatte oder niemand bemerkte, dass ich mit Rampe einsteigen muss. 

Ein Kraftakt, der sich trotzdem lohnt

Zudem war es draußen oft kalt oder windig, gerade nach den warmen Konzertstunden in der Arena. Und da ich mich nicht einfach schnell irgendwo unterstellen oder mich warm einpacken konnte, wurde das Warten auf den Bus zu einer echten Belastung. 

Auch meine Assistentinnen waren nach dem langen Tag oft körperlich am Limit – doch gerade jetzt war nochmal volle Konzentration gefragt: Weg finden, Durchkommen, sich verständlich machen, in den Bus helfen, Rollstuhl sichern. 

Diese Rückwege waren für mich emotional und körperlich die anstrengendsten Momente der ganzen Reise. Sie haben mir aber auch gezeigt, wie viel Kraft, Geduld und Zusammenhalt es braucht, als Mensch mit Behinderung Teil solcher Großveranstaltungen zu sein – und trotzdem nicht aufzugeben. Denn so anstrengend der Weg zurück war – das, was ich mit nach Hause genommen habe, war es jedes Mal wert. 

Was ich Menschen mit SMA (und Angehörigen) sagen möchte

Ich weiß, wie herausfordernd Reisen mit SMA sein können. Es ist nicht nur eine logistische Aufgabe, sondern auch emotional belastend. Vieles ist ungewiss: Klappt die Anreise? Ist die Unterkunft barrierefrei? Wie gehen andere Menschen mit dir um? Und: Wirst du es körperlich durchstehen? 

Trotz all dieser Hürden war diese Reise eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens.

Die Konzerte waren mehr als Musik – sie waren Ausdruck von Selbstbestimmung, von Lebensfreude, von dem Gefühl, nicht außen vor zu sein. 

Ich habe mir bewiesen, dass ich Dinge erleben darf, die nicht „einfach“ sind. Dass ich als Frau mit SMA genauso träumen, reisen und feiern darf, wie alle anderen auch. 

Und ich wünsche mir, dass dieser Text anderen Mut macht – ganz egal, ob du selbst betroffen bist oder jemandem nahestehst, der mit SMA lebt. Vielleicht wird nicht alles glattlaufen. Aber mit Kreativität, Geduld, einem guten Team und einem offenen Herzen ist so viel mehr möglich, als man denkt. Barrieren verschwinden nicht, wenn wir ihnen aus dem Weg gehen – aber manchmal können wir sie umgehen, überbrücken oder sogar verändern. 

Diese Reise war anstrengend. Aber sie war vor allem eines: voller Leben. 

Und genau darum gehts doch, oder? 💖✨ 

Ein Foto von Vanessa und ihrer Begleitung, die gemeinsam ein Herz mit ihren Händen formen, während sich im Hintergrund viele Konzertbesucher befinden.
Ein Foto von Vanessa und ihrer Begleitung, die gemeinsam ein Herz mit ihren Händen formen, während sich im Hintergrund viele Konzertbesucher befinden.

Vanessa und ihre Begleitung, die ein Herz aus ihren Händen formen 


Gastautorin Vanessa
Jahrgang 2001, SMA Typ II

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Hinweis: Erkennbare Markennamen sind willkürlich gewählt und dienen ausdrücklich nicht der Produktplatzierung. Biogen nimmt keinerlei Einfluss auf Umsatzgeschäfte der auf SMAlltalk sporadisch erkennbaren Markenhersteller und es bestehen diesbezüglich keinerlei Erwartungen. 

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